Donnerstag, 2. August 2018

Arbeit in Namibia


Am Montag war es endlich so weit und die Arbeit sollte beginnen und ich war gespannt auf meine Aufgaben, die auf mich zu kommen würden.
Leider hatte ich mir meine erste Aufgabe etwas anders vorgestellt, aber das kann man sich ja nicht aussuchen. Während die Julian und und Popov irre Holzkonstruktionen gerichtet haben oder eine sichtbare Balkenlage aus massiver Eiche gemacht, bestand meine Aufgabe darin, eine Dachumdeckung zu machen.








Ich bin ja nun mal Dachdeckermeister, also was soll ich machen. Also gut, jetzt stellt man sich sicher so eine Bautelle mit einem Kran, Gerüst und einer Menge Werkzeug vor, die alte Eindeckung wird entsorgt und alles neu aufgebaut. Ich musste relativ schnell lernen, wie das hier so zur Sache geht.  
Das Gerüst ist eine Leiter, Kran gibt es nicht und auch das Werkzeug beläuft sich auf einen Hammer, eine Kettensäge und einen Nagler. Latten werden nicht entsorgt und einfach neue genommen, da werden noch ein paar Leute hin gestellt, die die alten Latten entnageln und sie werden natürlich wieder benutzt.



An das Arbeiten am Abgrund und die ständige Anspannung, dass man mit einem Fehltritt nicht im Fanggerüst, sondern ziemlich schmerzhaft auf dem Boden landet musste ich mich erstmal gewöhnen.
Vor allem nach so langer Zeit auf der Meisterschule musste ich mich erstmal wieder reinfinden, was aber nach der ersten Woche schon wieder gut geklappt hat. 
Das afrikanische Tempo ist mit dem deutschen auch nicht zu vergleichen, vor allem muss man zusätzlich noch drei Schritte voraus denken, damit man sich nicht wieder alles zu baut, einfach mal schnell runter mit dem Kran gibts nicht Mal schnell was umstellen ist schon immer ein größerer Zeitaufwand.  
An dem folgenden Wochenende war Pay-Weekend, das bedeutet, dass der letzte Freitag im Monat frei ist. Den Donnerstag Abend sind wir alle relativ kaputt ins Bett gefallen, haben den Freitag aber groß angekündigt und bei uns zum Braaien eingeladen, nur leider ist keiner gekommen, aber konnte man nicht ändern und wir haben unser eigenes Ding gemacht. Am Samstag war Schlachtfest und ein Bekannter, Kolja, den wir am Wochenede vorher in einer Bar kennengelernt haben, hat uns Karten besorgt und uns mitgenommen. Also das war wirklich genau wie eine kleine Dorfkirmes bei uns, man hat überhaupt nicht mehr gemerkt, dass man in Afrika ist.
Livemusik, Fassbier, Deutsches Essen, alles in allem einfach irre. Ich hab mir erstmal ein bisschen Mut angetrunken und mich dann ins Getümmel gestürzt. Natürlich in Kluft unterwegs wurden wir reihenweise angesprochen und es hat nicht lange gedauert, da hab ich mit der ersten Dame eine flotte Sohle auf den Wüstenboden gelegt.
Wir hatten eine Menge Spaß und es war eine feucht fröhliche Veranstaltung, irgendwie trinken die hier drüben alle Underberg, was läuft denn hier nur schief. Scheint an der brennenden Hitze zu liegen!
Nach dem harten Kampf etliche Schluckimpfungen runterzuwürgen und dabei natürlich noch freundlich und dankbar zu lächeln ging es allzu bald auf die nächste Veranstaltung. Die schillernde Attraktion strammer Jungmeister aus Deutschland wollten wir natürlich nicht nur den älteren Jahrgängen vorenthalten, sondern uns natürlich auch bei den jungen beliebt machen, um unseren Nachwuchs für die Zukunft zu sichern.
Wieder mit Kolja unterwegs fuhren wir zurück in die Stadt auf die besagte Party. Eine Veranstaltung mitten im Stadtpark mit etlichen DJ’s. Am Anfang war alles noch ein bisschen eingeschlafen taute sie mit der Zeit auf und zum Schluss war es echt sehr lustig.
Florians Schwester Silja war extra von der Farm ihrer Eltern gekommen um mit uns zu feiern!
Ich war nur leider um  halb 11 schon kaputt gespielt und bin mit Florian heim gefahren, wollte ihn freundlicherweise noch aus der Parklücke weisen nachdem ich aus dem Auto gefallen war. Aber Flo brauchte meine Hilfe nicht, ich wollte nicht so Recht akzeptieren, wie ünnötig meine Hilfe war...
Flo kaufte mir lieber an der Tanke noch einen Meatpie, ich war der festen Überzeugung, es ist eine Belohnung für meine grandiose Hilfe beim Ausparken. Ich hatte den Tag ansonsten nichts gegessen, ich hab es wohl irgendwie vergessen. Kann ja mal passieren, deswegen musste ich auch umso mehr trinken um das wieder auszugleichen, ist doch logisch.
Julian, Alex und Silja sind noch mit ein paar Leuten auf der Party geblieben.
Den Sonntag waren wir alle ziemlich geplättet und haben nicht so viel gemacht.
In der Woche war ich mal wieder mit meinem Umdecker beschäftigt, es ist manchmal wirklich anstrengend, wenn man fast jeden Tag aufs neue wieder erklären muss, was wir machen. Manche von den Jungs sind wirklich gut, auch wissbegierig und fleißig, aber bei manchen ist es wirklich unfassbar, dass man es jedes mal wieder aufs neue erklären muss.

Das Sind übrigens Sakki und Hermann, ja richtig, er heißt wirklich Hermann. Ich hab das erste mal auch so einen Lachkrampf bekommen. Diese Namen konnte ich mir natürlich sofort merken und hab ihn gleich mit Spitznamen Papa genannt.
Das sind zwei von den fleißigeren Jungs, mit denen man wirklich sehr gut arbeiten kann. Einmal erklärt konnte sie alles super umsetzen und es hat von Anfang an wiklich super geklappt. Ich konnte mich von Anfang an auf die beiden verlassen und wir haben super zusammen gearbeitet. Wenn gerade einmal Leerlauf war haben sie sich sofort Arbeit gesucht und diese auch gesehen, mit der richtigen Förderung könnte aus den beiden wirkliche etwas werden. Da ist auf jeden Fall ne Menge Potential verhanden.
Und teilweise sind sie dann noch so stolz und stur, dass man sich immer wieder aufs neue in Diskussionen verstrickt, die immer wieder auf das gleiche hinauslaufen.
Und dann muss man trotzdem überall hinterher sein und die arbeiten immer wieder kontrollieren und nacharbeiten, weil sie es doch wieder nicht so gemacht haben, wie man es vorher besprochen hat. 
Und in diesem ewigen Prozess versuche ich dann immer noch ruhig zu bleiben, im Gegensatz zu manchen Leuten von hier. Ich probiere es immer noch auf einer guten Ebene zu klären, auch wenn es manchmal schwer fällt.
Das sind übrigens Willi und Josef. Nachdem sie einen halben Grat ohne Gehörschutz und Schutzbrille geschnitten hatten, hab ich ihn gesagt, dass unten einer liegt, den sie sich gerne holen können. Haben sie auch dankend angenommen, aber die Schutzbrille hat ihre Funktion irgendwie verfehlt. Und das Beste kommt noch: Willi hat auch gar nicht geschnitten, sondert Josef...
Man kann manchmal einfach nur lachen, aber das schöne ist, dass sie den Spaß verstehen und eigentlich immer mitlachen, es ist echt schon ein Erlebnis hier zu arbeiten!
So schön es auch ist, so schwer ist es manch anderes Mal zu verstehen.
Im Allgemeinen ist die Apartheit zwar seit 10 Jahren abgeschafft, aber dieses Verhältnis zwischen schwarz und weiß ist immer noch ziemlich eigenartig. Zwar müssen die Farbigen die Straßenseite nicht mehr wechseln, wenn man sich auf der Bürgersteig begegnet, aber ich habe das Gefühl, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis man sich wirklich auf Augenhöhe befindet.
Nicht nur die Hautfarbe, sondern auch die finanzielle Situation spielt in Sachen Chancengleichheit hier eine große Rolle. Wenn man nicht genug Geld hat um eine gute Ausbildung zu machen, kommt man einfach nicht über manche Stellung hinaus, da kann man sich noch so antrengen.
Wir haben bei uns im Haus einen Schwarzen wohnen, Jonas, der sich schon sehr lange um das Haus und alles drumherum kümmert. In der Zeit, in der wir da gewohnt haben durften wir auch seinen Sohn kennenlernen. Matthew ist ein sehr netter und höflicher Junge, er ist gut in der Schule und spricht einwandfrei Englisch. Wir haben schon mit ihm Fußball gespielt, gerade beim Sport ist es egal wer man ist. Man tritt gegen den Ball, hat Spaß und denkt nicht über irgendwelche Probleme nach. Egal ob man gut oder schlecht ist, man spielt einfach. Aber danach kehren wir alle wieder in unser Leben zurück, Matthew muss jeden Tag fast eine Stunde zur Schule laufen, im Winter, wo es morgens wirklich kalt ist. Er muss seine Wäsche mit er Hand waschen, gerne haben wir seine Wäsche bei uns mitgewaschen, auch wenn er anfangs Angst hatte dies anzunehmen. Anstatt sich auf seine Schule konzentrieren zu können muss es noch so viel nebenbei auf die Reihe bekommen und ich spreche hier von jemanden, der es eigentlich noch ganz gut hat.

Während sein Vater noch ein richtiges Dach über dem Kopf hat, wohnt seine Mutter am Rande der Stadt.
Ein Stadtteil Namens Katutura, was frei übersetzt so viel heißt wie der Ort an dem ich nicht sein möchte, was man, wenn man mal daran vorbei gefahren ist, auch sehr gut verstehen kann.
Wir versuchen hier alle mit Respekt zu behandeln und ich hab schon oft gemerkt, wenn man die leute mit Respekt behandelt und ihnen mit einem Lächeln begegnet, dann kommen sie auch genauso auf einen zu.
Bisher haben wir damit noch gute Erfahrungen gemacht, uns aber auch wenig in Gegenden bewegt, die für weiße nicht so sicher sind.
Genau dieser weite Spalt zwischen Arm und Reich ist das, was Unmut schafft, was Kriminalität erzeugt und diese Unruhe ist fast überall zu spüren.
Ich habe schon sehr viel Spaß mit meinen Kollegen auf der Bautelle gehabt, wahrscheinlich auch, weil sie merken, dass sie von mir anders behandelt werden. Ich versuche mit ihnen zu arbeiten, statt über ihnen zu stehen und ich habe das Gefühl, dass es sehr gut angenommen wird.
Wenn man mit den richtigen Leuten arbeitet ist das kein Problem, aber manche sind einfach nur stur.
Von Deutschland kenne ich das so und einige von ihnen haben das auch verinnerlicht, dass der Meister sagt wann Feierabend ist.
Am Freitag aber mussten wir das Dach vorrübergehend dicht machen, weil es den Anschein gemacht hat, dass es am Wochenende regnet. Eigentlich für diese Jahreszeit völlig untypisch, aber bei den Wetterkapriolen in den letzten Jahren ist dies auch in diesem Land nicht verwunderlich. Eigentlich arbeiten wir am Freitag nur bis um 2, aber da wir mit dem Notdach nicht fertig waren, hat es ein bisschen länger gedauert.  Anstatt dass wir aber alle zusammenarbeiten um auch schneller fertig zu werden stehen die Jungs unten vorm Auto und zeigen auf die Uhr. Also bei aller Liebe, da ist mir wirklich mal die Hutschnur geplatzt. Ich hab mich nicht mehr beeilt, hab meine Arbeit in Ruhe fertig gemacht, mich vom Bauherren verabschiedet und ihnen dann mal in aller Deutlichkeit gesagt, was ich davon halte.
Man kommt zusammen, man geht zusammen! Hier auf dieser Baustelle bin ich der Chef und habe die Verantwortung. Ich sage wann Feierabend ist und nicht ihr, nicht einer von euch!
Die ganze gute Stimmung, die wir sonst am Feierabend immer auf dem Heimweg hatten war dahin, keiner hat mehr ein Wort gesagt. Aber das musste einfach gesagt werden, wenn wir ein Team sind, dann muss man auch bis zum Ende zusammen stehen und nicht einfach runtergehen und uns bei der Arbeit zusehen. Ich glaube sie haben es auch verstanden was ich ihnen damit sagen wollte, ob sie es auch so umsetzen muss man sehen.
Zum Schluss haben wir hier noch den guten Popov, der sich meiner einer von Christians Bienen angelegt hatte. Sie war in einem Spänehaufen, den er zur Seite räumen wollte.
Mit denen ist nicht zu Spaßen!